Die Landschaft im Ruhrgebiet ist heterogen. Wie wollen wir mit ihr umgehen?
Die Landschaft im Ruhrgebiet ist heterogen. Sie ist geprägt durch Industriebrachen, Nebeneinander von Stadt und Land, kleine grüne Oasen im urbanen Raum. Genauso vielfältig wie die fünf Millionen menschlichen Einwohner:innen, die von der Landschaft profitieren. Eine wichtige Frage, mit der wir uns als lala.ruhr-Team auseinander setzen möchten, ist die Frage nach unserem Umgang mit dieser besonderen Landschaft im Ruhrgebiet. Beim Festival der Landschaft haben wir im Rahmen eines Werkstattgesprächs genau diese Frage mit Frank Bothmann vom Referat für Landschaftsentwicklung und Umwelt des Regionalverband Ruhr und Dr. Ilka Mecklenbrauck von der Fakultät Raumplanung der TU Dortmund diskutiert. Durch das Gespräch geführt hat der Raumplaner Jan Bunse von den Urbanisten.
Klar ist, dass es Vorgaben und Maßnahmen braucht, um die Landschaft vor Eingriffen zu schützen und ihren Wert zu erhalten. Im Moment werden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bei Eingriffen in die Natur vor allem mithilfe von konkreten Bilanzierungen und Ökokonten festgelegt. Je nach Eingriff müssen diese A+E-Maßnahmen eine bestimmte Qualität haben und werden mit Ökopunkten auf den Ökokonten von privaten und öffentlichen Flächeneigentümer:innen gut geschrieben. Dieser sehr rechnerische Umgang mit der Landschaft führt zum einen zu einer “normierten Landschaft” und zum anderen zu einem tatsächlichen Geschäft mit der Landschaft, das durch Bauherr:innen und Flächeneigentümer:innen bestimmt wird.
Auf der anderen Seite sehen wir uns einer Flächenknappheit ausgesetzt, die sich nicht nur innerstädtisch bemerkbar macht, sondern auch im ländlichen Raum des Ruhrgebiets – hoch emotionalisierte Debatten und ein immer höherer Druck auf die Freiräume sind oft die Folge. Insbesondere Landwirt:innen stehen häufig vor dem Problem des doppelten Flächenverlustes: Landwirtschaftliche Flächen sind von der Siedlungserweiterung betroffen und werden in diesem Zuge bebaut. Diese Bebauungen sind wiederum ausgleichspflichtig und für die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen werden Ackerflächen genutzt. Da das ökologische Verbesserungspotenzial auf landwirtschaftlichen Flächen sehr groß ist, erhalten die Bauherr:innen für einen Ausgleich auf einer solcher Fläche sehr viele Ökopunkte auf ihrem Ökokonto.
“Das Feld schreit nach neuen Ideen.”
Auch im Gespräch und durch die Beiträge der Werkstattteilnehmenden ist vor dem Hintergrund des Status Quo im Umgang mit der Landschaft offensichtlich, dass Planende, Flächeneigentümer:innen und Bauherr:innen umdenken müssen und die Politik innovative Lösungswege ermöglichen muss. Frank Bothmann hat es dementsprechend auf den Punkt gebracht hat: “Das Feld schreit nach neuen Ideen.”
Wie genau diese Lösungswege und vor allem tiefgreifende Veränderungen im Umgang mit Landschaft realisiert werden können, ist derzeit noch offen. Denn dafür sind Gesetzesänderungen auf Bundesebene nötig, denen in der Regel ein langer Prozess vorausgeht. Nichtsdestrotrotz gibt es bereits Ideen und Vorschläge von Planenden, Forscher:innen und auch aus der Praxis.
Dazu gehört beispielsweie die Integration von Landschaft in den urbanen Raum, die Weiterentwicklung der ökonomischen Bewertung von Natur und der Fokussierung der Ökosystemleistungen, temporäre und flexible Strukturen für Freiräume, die produktive Bewirtschaftung von Landschaft oder das Verstänsnis von Landschaft als Kultur- und Integrationsraum. So attraktiv solche Ideen erst einmal klingen, so wichtig ist es in der Diskussion, auch die Fallstricke zu beachten. Ilka Mecklenbrauck plädiert in diesem Kontext dafür, potenzielle Nutzungskonflikte von vornherein in der Planung mitzudenken und der Landschaft mit einer angestrebten Multifunktionalität von Flächen nicht zu viel zuzumuten. Ein – in unseren Augen – besonders interessantes Konzept ist die Demokratisierung der Landschaft. Denn anders als bei Siedlungen geht der Landschaftsplanung derzeit kein demokratischer Prozess voraus und der Raum außerhalb der Siedlungsgebiete wird sehr funktional betrachtet. Unter anderem dieses Vorgehen kann zu Frust bei Aktiven führen, die sich nicht wahr- und ernstgenommen fühlen und aus deren Sicht Klima- und Naturschutz stark vernachlässigt wird. Weitere Lösungsansätze ist eine verstärke baukulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen, aber auch die Optimierung der Lehre an Hochschulen und Universitäten und das integrative Zusammendenken von Architektur, Ökologie und Klima.
Um diese Ideen und neue Wege nach vorne zu bringen, braucht es in den nächsten Jahren vor allem Lobbyarbeit, um den Umgang mit der Landschaft im politischen Diskurs zu verankern. Anknüpfungspunkte dafür sind natürlich die Diskussion um Klima- und Naturschutz, aber auch urbane Transformation und Stadt-Land-Beziehungen. Zudem können, laut Ilka Mecklenbrauck, vor der Verwirklichung der großen Vision auch schon kleine Schritte gegangen werden und temporäre Ansätze Erfolge zeigen. Eine wichtiger Aspekt ist auch die gesellschaftliche Kommunikation und Überzeugungsarbeit über Bilder statt über Verbote, um die emotionalisierte Debatte zu verhindern und alte Bilder aufzubrechen.
Text: Annette Bathen
Foto: Ravi Sejk