Wenige Berufszweige sind so raumprägend wie die Landschaftsarchitektur. Trotzdem gilt er als „exotische Nische“.
Foto: Planungsbüro DTP Landschaftsarchitekten, Essen
Plädoyer für eine starke Landschaftsarchitektur
Wenige Berufszweige sind so raumprägend wie die Landschaftsarchitektur. Sobald wir uns draußen bewegen, befinden wir uns bereits mitten im Arbeitsfeld von Landschaftsarchitekt:innen – ob im Park, auf dem Spielplatz oder Schulhof, auf dem Radweg oder auf dem Marktplatz im eigenen Quartier. Trotzdem können nur wenige Menschen den Beruf wirklich einordnen, teilweise gilt er sogar als „exotische Nische“. Wer als Landschaftsarchitekt:in nach Feierabend im Freundes- und Bekanntenkreis von der eigenen Arbeit erzählt, wird mitunter gefragt, warum es ein Studium braucht um „ein Spielgerät oder eine Sitzbank aufzustellen“.
Woran das liegt?
Zum einen liegt daran, dass viele Bauherr:innen glauben, unsere Tätigkeit gleich übernehmen oder an Fachfremde delegieren zu können: „Das Außengelände machen wir eben schnell noch mit.“ Oder sich die Freiflächen einverleiben und betonieren. Die verbleibenden Quadratmeter sind dann im Grunde nur noch als Restflächen zu bezeichnen – der Ursprung sperriger Begriffe wie Abstandsgrün und Seitenstreifen. Und dafür braucht man dann doch schließlich keine Expert:innen, oder?
Dabei wächst das Aufgabenfeld Landschaftsarchitektur stetig an, es wird nicht zuletzt durch den fortschreitenden Klimawandel immer größer und drängender. Gut gestaltete, ausreichend dimensionierte und funktionierende StadtLandschaften befriedigen elemantare Bedürfnisse – die Pandemie führt uns allen gerade erst vor Augen, wie wertvoll grüne Freiräume sind.
Die Anforderungen an multifunktionale StadtLandschaften werden immer vielfältiger und umfassender:
Als Raum für Menschen sollen sie Begegnung ermöglichen (Freiraum ist immer auch Sozialraum) sowie der Bewegung und damit der Gesundheit dienen.
Aus klimatischer Sicht steht das Abfedern des Klimawandels im Vordergrund (Regenwassermanagement leisten, Kaltluftschneisen erhalten, anfallendes Regenwasser in Städten lokal aufnehmen und speichern nach dem Modell der Schwammstadt, etc.).
Mobilität für Alle ermöglichen (Mobilitätswende, Radschnellwege, transformierte Straßenräume, etc.).
Raum für Tiere und Pflanzen erhalten (Biodiversität fördern, Lebensraum Stadt).
Das Berufsbild Landschaftsarchitekt:in hat sich also in den vergangenen zwanzig Jahren enorm erweitert und ist ganz aktuell mit vielen Zukunftsfragen verknüpft. Die Landschaftsarchitektur als integrierende Disziplin stellt sich diesen Aufgaben, bringt Expert:innen zusammen und findet oft zukunftsweisende Lösungen für herausfordernde Fragestellungen – und das, obwohl die Disziplin in der öffentlichen Wahrnehmung weiter nur im Hintergrund agiert. Als gestaltende Disziplin ist die Landschaftsarchitektur darüber hinaus an ästhetischen und gleichzeitig technischen Lösungen interessiert – wie viele Berufsfelder basieren schon auf einem solchen herausfordernden Spagat?
Musterlösungen für viele der neuen Herausforderungen, die sich aus der Pandemie und den klimtischen Veränderungen ergeben, gibt es noch nicht. Dementsprechend wird in den nächsten Jahren viel Mut gebraucht – von Seiten der Planung genauso wie bei Kommunen und Auftraggeber:innen, um Modelllösungen auszuprobieren und neue landschaftliche Standards zu setzten und veraltete Vorstellungen von Straßenbegleitgrün aufzubrechen.
Wir brauchen eine kooperative Berufspraxis, um Lösungen zu entwickeln, die uns weiterbringen. Und wir benötigen vor allem auch mehr junge Menschen, die diesen wundervollen und wenig bekannten Beruf wählen – in den Datenbanken zur Berufsberatung von Schüler:innen kommt er mitunter gar nicht vor – weil er spannend ist und so viele Herausforderungen bietet.
Als Gesellschafterin eines Planungsbüros treibt mich außerdem die Ausbildungssituation speziell im Ruhrgebiet um: Ein riesiger, transformativer Ballungsraum ohne einen einzigen Landschaftsarchitektur-Studiengang. Eine vertane Chance für die Region, da gerade Studierende es sind, die frische Ideen für ihr Umfeld entwickeln – über die bekannten Lösungen hinaus.
Isabella de Medici hat Landschafts- und Freiraumplanung in Hannover und Barcelona studiert und lebt seit über 20 Jahren im Ruhrgebiet. Seit 2017 ist sie Gesellschafterin bei der Planungsbüro DTP Landschaftsarchitekten GmbH, hat einen Lehrauftrag bei der FH in Dortmund, ist Sprecherin für Freiraum beim bdla nrw und Teil des Teams von lala.ruhr.