Zwischen Einkaufszentrum, Schwerindustrie und Verkehrswegen gibt es überall kleine Areale, auf denen sich so manches Kraut und noch mehr Tiere heimisch fühlen.
Das Projekt “Wildes Ruhrgebiet” stellt sich vor
Auf den ersten Blick drängt sich das Ruhrgebiet nicht gerade als Arbeitsumfeld für Naturfotografen auf. Dennoch – oder gerade deswegen – haben sich einige Naturfotograf:innen, die im Ruhrgebiet aufgewachsen sind oder inzwischen hier leben, in dem Fotoprojekt „Wildes Ruhrgebiet“ zusammengeschlossen. Gemeinsam möchten sie mit ihren Aufnahmen zeigen, dass es im Ruhrgebiet sehr wohl naturnahe Räume und allerlei Schönes zu entdecken gibt. Natürlich fehlt es an der großflächigen Wildnis, die es mittlerweile überall auf dem Globus schwer hat. Aber zwischen Einkaufszentrum, Schwerindustrie, Verkehrswegen und dem allgegenwärtigen Ruhrpöttler gibt es überall kleine Areale, auf denen sich so manches Kraut und noch mehr Tiere heimisch fühlen.
Diese möchte Wildes Ruhrgebiet vor Augen führen, sie sichtbar machen und damit für sie das Wort erheben. Was eben auch bedeutet, auf die Lebensräume aufmerksam zu machen, die die Natur braucht und die tatsächlich auch da sind.
So gibt es etwa ausgesprochen naturnahe Wälder und sogar noch frei mäandrierende Bäche wie den Rotbach, der von Bottrop über Oberhausen bis nach Dinslaken in den Rhein fließt. Ein solches Gewässer ist in ganz Norddeutschland rar geworden. In den Auwaldresten der Ruhr jagen Reiher und Eisvogel, und auf den an das Ruhrgebiet überall angrenzenden Acker- und Wiesenflächen begegnen uns Hase und Reh. Fast wie überall sonst in Deutschland auch, wenn da nicht immer Hausdächer und die Schornsteine und Schachtanlagen im Hintergrund in Erscheinung treten würden.
Aber auch im Schatten der Industrieanlagen und ihrer Ruinen, an Bahngleisen, in unserer direkten Nachbarschaft auf dem Balkon und im Garten gibt es Leben. Diese kleineren Lebensräume gilt es vermehrt zu porträtieren, da solche Flächen zumeist überhaupt nicht als Biotop wahrgenommen werden. Dabei stellen gerade unsere Industriebrachen einen Landschafts- und Lebensraumtyp dar, den es so fast nur im Ruhrpott gibt und der für viele spezielle Arten eine letzte Zufluchtsstätte darstellt, da ihre eigentlichen, ursprünglichen Heimstätten längst verschwunden sind. Ohne Industriebrachen verlieren wir diese Arten vollends, aber auch das typische Charaktergesicht des Ruhrgebiets. Und damit auch ein Stück von dem, was uns hier ausmacht.
Wenn Sie einmal selbst im Ruhrgebiet auf Entdeckungstour gehen wollen, bieten sich viele Orte dafür an. Ganz im Westen liegen die Rheinauen in Walsum, wo man etwa einen Blick in einen Storchenhorst werfen kann. Von den vielen Spazierwegen entlang der Gewässer kann man zudem verschiedene Wasservögel beobachten.
Einen besonders atmosphärischen Morgen kann man auch an der Ruhr im Bochumer Süden bzw. bei Witten erleben, wenn im Frühjahr oder Herbst der Nebel im Ruhrtal liegt.
Aber auch inmitten der Industriekultur gibt es Natur zu entdecken. Hoch oben auf dem Förderturm der ehemaligen Bergwerksanlage der Zeche Nordstern etwa brütet der Wanderfalke in schwindelnder Höhe. Und im La Pa Du (Landschaftspark Duisburg Nord) lassen sich auf den Bahngleisen und den Aufschüttungen sowie an den Gebäuden zahlreiche Mauereidechsen finden. Zur richtigen Jahreszeit ertönt hier das Konzert der Kreuzkröten, die hier wie auch auf anderen brachliegenden Industrieflächen in kleinsten Gewässern zu Hause sind. Mit Geduld und behutsamen Verhalten lassen sich die Tiere nicht nur beobachten, sondern auch hervorragend fotografieren. Zudem zeigt sich hier sehr schön, wie verschiedene Wildpflanzen selbst die kleinsten Nischen zu ihrem Lebensraum machen.
Gute Fotomöglichkeiten finden sich überall dort, wo die Tiere an den Menschen gewöhnt sind und daher wenig Scheu zeigen. Etwa an den zahlreichen Parkgewässern, Parkanlagen und Naherholungsgebieten sowie den für unserer Region üblichen renaturierten Bergehalden. Hier wären als Beispiel die Abtsküche in Heiligenhaus, der Phönixsee in Dortmund, der Stadtteich in Bottrop und die Ruhraue in Essen-Heisingen zu erwähnen. Die besten Fotoergebnisse erzielt man mit Telebrennweiten ab 200 mm. Aber aufgrund der Vertrautheit der Tiere mit den Besuchern, sind durchaus auch Aufnahmen mit dem Smartphone möglich.
Wir wünschen auf jeden Fall allen interessierten viel Spaß beim Entdecken der Natur vor der Haustür.
Text: Markus Botzek + Stefan Fabritz (Wildes Ruhrgebiet)