
Im Januar 2022 übernimmt lala.ruhr den Instagram-Account von vier.ruhr, der Theaterallianz der der Mülheimer Häuser. Unser Thema: der Müllkomplex!
Das Ruhrgebiet hat bekanntlich eine jahrzehntelange Geschichte im Abbau von Braun- und Steinkohle vorzuweisen. Schon im 19. Jahrhundert lag der wirtschaftliche Fokus auf die Eisen- und Stahlindustrie. Die Montanindustrie inklusive vieler Arbeitskräfte aus dem Ausland sorgte damals für das erhebliche Städtewachstum. Durch die Kohlekrise im 20. Jahrhundert wurde letztendlich im Jahr 2018, nach ganzen 150 Jahren Bergbau, die Förderung eingestellt.
Und nun? Wo kommen unsere heutigen und künftigen Materialien heute her? Und wie sieht die Sekundärrohstoffnutzung aus? 7500 kg Metalle sind allein in einer 100 m2 großen Wohnung verbaut und rund 38 Tonnen Gold in 1,6 Milliarden Mobiltelefonen enthalten. Ein Lösungsansatz: die Kreislaufwirtschaft als Rohstofflieferant. “Urban Mining” lässt sich mit “Städtischer Bergbau” übersetzen. Noch bis vor kurzem wurde mit dem Begriff überwiegend die Öffnung von alten Deponien assoziiert. Zentraler Aspekt des Urban Mining Ansatzes ist aber vielmehr das Recycling als Wiederverwertung von Materialien. Rohstoffknappheit, aber auch der gewaltige Import von Rohstoffen sowie der Ausstoß von schädlichen Kohlenstoffdioxid (CO2) werden durch Urban Mining reduziert.
Als einer der Wegbereiter des Begriffs des Urban Minings in unserer Region gilt Rainer Weichbrodt, der sich bereits seit dem Jahr 2008 intensiv für das Thema einsetzt und 2010 das Format des “Urban Minings Kongresses” mit einigen Partnern gemeinsam ins Leben rief, der zuletzt 2018 in Dortmund stattgefunden hat. Zudem hat er den Urban Mining e.V. mit Sitz in Essen gegründet. Weichbrodt ist geschäftsführender Gesellschafter der Management Institut Dortmund GmbH (MID) und bezeichnet Urban Mining gerne als “neuen Bergbau des Ruhrgebiet”. Gründe hierfür: Erstens die hohe Verstädterungsrate inklusive der hohen Dichte in der Region. Das Ruhrgebiet mit seinen über 5 Millionen Menschen könne als eine große Stadt bezeichnet werden. Zweitens könnte nach Ansicht von Weichbrodt hier im Ruhrgebiet ein Strukturwandel mit Umwelttechnologien etabliert werden, weil gerade hier die Hochschulkompetenz am höchsten ist. In diesem Kontext verweist er gerne auf den Begriff “Urban Mining Valley”. Weichbrodt: “Meine Vision ist es, dies voranzutreiben, also Technologien zu fördern, mit denen wir uns auch als Wirtschaftsstandort positionieren können und weltweite Impulse setzen. So stärken und verbessern wir natürlich auch den Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet.”
“Für mich ist Urban Mining das Nutzen und die Erkenntnis, dass Rohstoffe immer mehr sich aus dem Vorkommen der Erde in ein Vorkommen in Städten verlagert. Immer mehr werden Stoffe aus der Erde verwendet. Kupfer ist ein Material beispielsweise, was es heute schon in der Infrastruktur im größeren Maße gibt als Ressource in der Erde und vielen anderen Materialien wird es in der Zukunft ähnlich gehen, gerade bei den seltenen Metallen. Also ich habe die Rohstoffe nicht mehr in der Erde, sondern im Gebrauch und dort vielfältig durch die Verstädterung in der Stadt – und da gilt es eben in der Zukunft diese Ressource zu nutzen. Dabei wird der Mensch nicht nur als Verbraucher, sondern auch als Produzent wertvoller Ressourcen betrachtet”. Sein Appell: “Es liegt es an Allen, die wertvollen Metalle und Rohstoffe richtig zu entsorgen, um wiederum der Umwelt, der Gesellschaft, aber auch der eigenen Wirtschaft unter die Arme zu greifen”, fasst Weichbrodt seine Definition zusammen.
Schon Anfang der 1960er-Jahre hat die amerikanisch-kanadische Stadt- und Architekturkritikerin Jane Jacobs die Städte als Minen bezeichnet. Minen in dem Sinne, dass in der Infrastruktur der Städte viele Rohstoffe verbaut sind, die später wiederverwendet werden können. Aber auch Konsumgüter wie Elektrogeräte, Windkraftanlagen, Photovoltaikanlagen, Autos sowie Gebäude und Ablagerungen auf Deponien sind unsere heutigen Sekundärrohstoffe. Beim Urban Mining werden folgende Prozesse werden beim Urban Mining durchlaufen: “Aufsuchen (Prospektion), Erkundung (Exploration), Erschließung und Ausbeutung anthropogener Lagerstätten bis zur Aufbereitung der gewonnenen Sekundärrohstoffe”. Die vier Säulen der Urban Mining Strategie: Design for Urban Mining, Ressourcenkataster, Urbane Prospektion und Ressourcenrückgewinnung.
Zum Abschluss des Urban-Mining-Diskurses hier noch die formale Definition des Umweltbundesamtes: “Urban Mining ist die integrale Bewirtschaftung des anthropogenen Lagers mit dem Ziel, aus langlebigen Gütern sowie Ablagerungen Sekundärrohstoffe zu gewinnen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Güter noch aktiv genutzt und erst in absehbarer Zukunft freigesetzt werden oder ob sie bereits das Ende ihres Nutzungshorizonts erreicht haben.”
Wer eine einfache und kompakte Erklärung des Begriffs “Urban Mining” sucht, findet sie in diesem Video.
Textautorin: Stephanie Stiehm
* lala.ruhr übernimmt mit dem takeeover im Januar 2022 drei Wochen lang den Instagram-Account von vier.ruhr, der Allianz der Mülheimer Theater. Unser Thema: der Müllkomplex. Wir nehmen euch mit mit auf eine digitale Reise durch die Region und darüber hinaus – an Orte, an denen etwas aus Müll entsteht oder an denen mit dem gearbeitet wird, was wir umgangssprachlich so bezeichnen. Wir laden dazu ein, auch die Stadtlandschaft der Metropole Ruhr zirkulär zu denken und alle Materialien als ein Teil von Kreisläufen zu entdecken. Denn Müll ist für uns grundsätzlich eine Ressource und ein Fundus für Neues und eben nicht Abfall. lala.ruhr definiert Abfall als Wertstoff der Zukunft! Aus diesem Grund findet ihr auch in diesem Monat einige Blogbeiträge zum Thema “Müllkomplex”. Mit diesem ersten Blogbeitrag zu “Urban Mining” wird die Idee erläutert, das das Ruhrgebiet nicht nur Konsument sondern auch eine nachhaltige Ressource sein kann.
vier.ruhr ist die Theaterallianz von Theater an der Ruhr, Mülheimer Theatertage „Stücke“ und Ringlokschuppen Ruhr. Gefördert im Rahmen von NEUE WEGE durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen in Zusammenarbeit mit dem NRWKULTURsekretariat.
Quellen: