Zukunft braucht Baukultur
Zukunft braucht
Baukultur
Baukultur NRW engagierte sich mit vielfältigen Programmpunkten bei der ersten Biennale der urbanen Landschaft: Diskussionen und Workshops, Ausstellungen, ein Baukultur-Garten, internationalen Kooperationen und der temporäre Stadtentwicklungs-Pavillon „a-circus“. Diesen hatten Absolventen der Kunstakademie Düsseldorf im Laufe des Festivals auf dem Gelände am Wissenschaftspark Gelsenkirchen errichtet. Der Pavillon „a-circus“ symbolisierte auf der Biennale deutlich sichtbar die transformativen Kräfte der urbanen Landschaft. Im Sinne seines temporären Wesens reist „a-circus“, spannt sein Zelt immer in einer neuen Umgebung auf, offenbart dort kurzfristig eine fantastische Welt – und zieht später weiter. Er ist ein konkreter Ort – wenn auch auf Zeit, der bei der Biennale Ausstellungsraum, Forum für Dialoge sowie ein Laboratorium für nachhaltige Stadtentwicklung wurde.
Verständnis für grüne Städte
Eine Stadt besteht nicht nur aus Häusern, sondern auch aus dem vielfältigen Leben dazwischen. Wie plant und baut man dafür? Eine gerechte, lebenswerte und zukunftsfähige urbane Landschaft ist eine Frage der Gestaltung und damit ein wichtiges Anliegen der Baukultur. Die Auseinandersetzung mit den damit verbundenen Fragen ist relevant für die Zukunft. Damit eine grüne Zukunft wachsen kann, wurde der Baukultur-Garten im Rahmen der Biennale zum Symbol und zu einem Statement für die (grüne) Baukultur. Grün in der Stadt kann vieles bewirken, und wichtig ist dafür eine aktive Auseinandersetzung mit der Natur. Nur dadurch kann ein gemeinsames Verständnis einer grünen, gerechten und lebenswerten Stadt entstehen. Die Hochbeete hatte Baukultur NRW in einer Kooperation mit dem Grünlabor Hugo gebaut und bepflanzt, sie standen bei der Biennale für Austausch und urbane Produktion. Kräuter, Salate und Gemüse wuchsen dort und boten einen Rahmen für die aktuelle Baukulturdebatte rund um die grüne Stadt.
In Kooperation mit der Königlich Dänischen Botschaft präsentierte Baukultur NRW außerdem die Ausstellung „Lebenswerte Stadt“ zum ersten Mal in Deutschland, die in Zusammenarbeit mit dem Dänischen Institut für Stadtplanung entwickelt wurde. Die Ausstellung stellt 28 gelungene Beispiele von Architektur und Städteplanung aus Dänemark vor und wirft dabei bewusst einen Blick auf Projekte außerhalb der größten Städte.
Wird das Stadtgrün zum Pflegefall?
Einen vielseitigen Blick hat Baukultur NRW auch im weiteren Programm auf die grüne und gerechte Stadt geworfen. In Kooperation mit dem Kubia e.V. und den in Kopenhagen ansässigen Architekt:innen Dominique & Serena ging es in einem Workshop darum, städtische Räume und Infrastrukturen inklusiv für jede Generation zu gestalten.
Damit das Grün in die Stadt kommt, muss es bereits zu Beginn eines jeden Projekts mitgedacht werden – und zwar bevor die Planung beginnt: in der Phase 0 der Stadtgestaltung. Auch zu dieser Frage lud Baukultur NRW in den Pavillon „a-circus“ ein. An anderen Tagen ging es um die Gesundheit der Stadtbewohner:innen unter den Gesichtspunkten „Das Grün in der Pflege“ sowie auch aus der Perspektive der Natur: „Wird das Stadtgrün zum Pflegefall?“ In der Stadtplanung sind Abwägungen von Kosten und Nutzen zentrale Elemente, aber was „nützt“ das Grün in der Stadt, was kostet es? Besonders unter den Auswirkungen des Klimawandels rückten diese Fragen weiter in den Fokus der Diskussion.
Exkursionen in die grüne Region
Das Format „Baukultur vernetzt auf Tour“ des Netzwerks der Baukultur-Akteur:innen machte bei der Biennale Station in Gelsenkirchen und widmete sich der Landschaft der Metropole Ruhr. Teilnehmer:innen erkundeten mit Urbane Künste Ruhr, der Fotografin Tania Reinicke und der Forststation NRW die Region und nahmen stillgelegte Industrieanlagen, Zukunftsorte, grüne Hinterhöfe und Kunstwerke an der Emscher und in ehemaligen Kirchen in den Fokus
Es ging bei dieser Biennale um nichts Geringeres als „die Frage, wie wir das Ruhrgebiet nicht nur als liebenswert erhalten, sondern auch als lebenswerte Region gestalten können“, formulierte Peter Köddermann, Geschäftsführer Programm von Baukultur NRW.
Längst ist das Grün unserer Städte nicht mehr nur angenehmes Beiwerk, sondern wesentlicher Bestandteil von nachhaltig, gesund und klimagerecht gestalteten Stadträume. Baukultur NRW möchte dazu anregen, über die Gestaltung der Stadträume und die Integration der wichtigen Funktionen des Grüns nachzudenken und diese konkret auszuhandeln. Akteur:innen der Planung, Bürger:innen sowie sonstige Stakeholder und Interessierte müssen gemeinsam nachhaltige Stadträume als Lebensorte entwickeln. Mit Bezug auf die aktuellen klimatischen Entwicklungen in den Städten stellt sich die Frage nach einem neuen Umgang mit Grün und Grünplanung in der Region auch in der Baukultur.
Baukultur NRW engagierte sich mit vielfältigen Programmpunkten bei der ersten Biennale der urbanen Landschaft und regte dazu an, über die Gestaltung der Stadträume und die Integration der wichtigen Funktionen des Grüns nachzudenken.
Die 1. Biennale der urbanen Landschaft setzt neue Maßstäbe
Die 1. Biennale der
urbanen Landschaft
setzt neue Maßstäbe
Zwei Wochen lang zog die erste Biennale der urbanen Landschaft Graswurzel-Initiativen genauso an wie die großen Player der Planung. Die Initiative lala.ruhr hatte Motivierte aller Disziplinen zu diesem Biennale-Festival eingeladen. 204 Mitwirkende bespielten gemeinsam über 130 Veranstaltungen im und am Wissenschaftspark in Gelsenkirchen.
Bei der Eröffnung der Biennale der urbanen Landschaft kamen vielen Teilnehmer:innen Erinnerungen hoch. Denn mit der Einladung in den Wissenschaftspark Gelsenkirchen startete die Veranstaltung genau dort, wo vor über 30 Jahren die IBA Emscher Park ihre Arbeit aufnahm. Damals war es der Start in eine neue Ära. Gleiches gelingt der ersten Biennale: Sie brachte über 200 Mitwirkende zusammen und ermöglichte Begegnungen, Diskussionen und Aktionen. Dabei waren
Macher:innen von Nachbarschaftsprojekten genauso wie Geschäftsführende der IGA 2027; junge Studierende ebenso wie Staatssekretäre und Wissenschaftler:innen. Viele dieser Engagierten haben im Alltag wenig Berührungspunkte miteinander. Leider, denn alle eint, dass sie sich für die Zukunft der urbanen Landschaft in der Metropole Ruhr einsetzen.
Der Wissenschaftspark als Zentrum der Biennale
Der Wissenschaftspark Gelsenkirchen war über zwei Wochen das Zentrum der Biennale und damit Wirkungsstätte der unterschiedlichsten Akteur:innen. Dass viele Veranstaltungen draußen im Park stattfanden, war kein Zufall, vielmehr Symbol. Denn im Mittelpunkt der Biennale stand die Landschaft. Zur Auseinandersetzung über die urbane Zukunft hatte die Initiative lala.ruhr – Das Labor für die Landschaft der Metropole Ruhr eingeladen. In verschiedenen Calls hatte sie „in den urbanen Wald“ gerufen und ein riesiges Echo von Engagierten und Macher:innen bekommen. Sie alle kamen mit kreativen, wissenschaftlichen, künstlerischen und vor allem anpackenden Ideen und Projekten. Damit gestalteten sie über 130 Veranstaltungen, die alle zwischen dem 10. und 24. September 2022 im und rund um den Wissenschaftspark stattfanden.
Wochenende der Vielfalt macht den Auftakt
Bereits das Auftaktwochenende stand im Zeichen von Veränderung. Denn bei der Biennale ging es um nichts Geringeres als die Frage, „wie wir das Ruhrgebiet als lebenswerte Region gestalten können“, wie Peter Köddermann von Baukultur NRW sagte. Diese große Frage regte zahlreiche Debatten an, die mit Ernsthaftigkeit und Offenheit, mit Visionskraft und Realitätssinn geführt wurden. Sowohl im Park als auch in den Arkaden des Wissenschaftsparks wurde ein Wochenende lang gebaut und experimentiert, Strategien diskutiert und nach Ursachen für Probleme und Hindernisse der Weiterentwicklung gesucht. Dabei tat das Regenwetter am Samstag der Beteiligung an Workshops, Vorträgen, Diskussionen und Mitmach-Aktionen keinen Abbruch. Der sonnige Sonntag war ideal für Exkursionen, Workshops und das Jazzkonzert der Brassholes Marching Band, eine Kooperation mit dem New Colours Festival.
Ausflug ins Digitale
In der zweiten Woche gab es viel Input und Output zum idealen Zusammenspiel von Digitalität und Stadtgestaltung. Im Zentrum stand die Frage, wie digitale Technologien dabei helfen können, eine nachhaltige Stadt zu entwickeln. Insgesamt arbeiteten 20 Young Professionals und Studierende aus ganz Europa – u.a. den Niederlanden, Großbritannien, Slowenien und Frankreich im Rahmen eines „hackathon in residence“ zusammen. Ihre Expertise reicht von 3D-Animation, Game-Design, Fotografie und VR-Programmierung über Stadtplanung und Landschaftsarchitektur bis zu Datenanalyse. Sie entwarfen in vier Teams Ideen für nachhaltige Entwicklungen im urbanen Raum. Und der lag vor der Tür. Die Residencies setzten sich konkret und direkt vor der Tür des Wissenschaftsparks mit problematischen Orten und Flächen in Gelsenkirchen-Ückendorf auseinander. Brachflächen, Hitzeinsel und Straßenschlucht wie es sie auch in anderen Städten gibt, warteten auf ihre digitale Transformation.
Visionen von Studierenden
Auch junge internationale Vertreter:innen planender und gestaltender Disziplinen kamen auf der Biennale zusammen. Das Motto „Design for Urban Uncertainties“ forderte die interdisziplinär arbeitenden Gruppen mit Studierenden der TU Dortmund, der TH Ostwestfalen-Lippe und der RWTH Aachen University heraus. Während einige Teams die offene Aufgabe vor Ort in Gelsenkirchen-Ückendorf bearbeiteten und konkrete Ideen zur Verbesserung des Stadtteils entwarfen, blieben andere Arbeiten auf größerer Flughöhe. Sie nahmen die gesamte Metropole Ruhr in den Blick und skizzierten Szenarien wie die ehemalige Industrieregion zur Energieregion werden kann. Die Bandbreite von Ideen, Visionen und Beiträgen war riesig. Sie alle waren relevant; sie alle machten deutlich, auf wie vielen Ebenen Handlungsbedarf besteht.
Eine Convention zum Abschluss
Das letzte Wochenende der Biennale stand im Zeichen einer Convention zur urbanen Zukunft. Auch hier kamen zahlreiche Akteur:innen aus verschiedenen Kontexten zusammen und die Impulse, Fragestellungen und Diskussionen waren breit gefächert. Sie reichten von den Ideen der Studierenden, Natur basierten Lösungen für Städte über mangelnde Budgets in der Pflege von Grünflächen bis zum riesigen CO2-Verbrauch in der Bauindustrie; von der Wertschätzung für existierende Pläne bis zur Frustration über Hindernisse, von der Aktivierung kreativer, bottom-up-Potenziale bis zur Skepsis gegenüber Experimenten. Trotz der großen Bandbreite von Sichtweisen machte die Convention der Biennale der urbanen Landschaft deutlich, dass enormer Handlungsdruck besteht. Alle waren sich einig, dass aktuelle Krisen und der fortschreitende Klimawandel die urbane Lebenswelt bedrohen. Deshalb appellierte Anja Bierwirth vom Wuppertal Institut auch schnell zu handeln: „Je mehr wir trödeln, umso schneller kommt der Klimawandel auf uns zu“. Dass es „an programmatischen Ansätzen für Veränderungen“ nicht fehlt, machte Markus Lehrmann als Geschäftsführer der Architektenkammer NRW deutlich. Vielmehr stockt es vielerorts an der Umsetzung. Dass sich das nun ändern würde, stellte Nina Frense vom Regionalverband Ruhr in Aussicht. Sie berichtete, dass die „Charta für Grüne Infrastruktur“ im Ruhrparlament einstimmig verabschiedet worden sei und damit eine neue Verbindlichkeit entstünde. Der langjährige Begleiter der Region, Michael Schwarze-Rodrian, ging einen Schritt weiter. Er blickte auf die IBA Emscher Park und regte an: „Vielleicht brauchen wir wieder einen Werkstattcharakter, also die Offenheit für neue Herangehensweisen, den Mut zum Experimentieren und auch Fehler zu machen.“
Den Abschluss bildete ein „Blick zurück nach vorn” über die Bedeutung regionaler Formate für die Metropole Ruhr und ein Ausblick auf die Zukunft urbaner Landschaften für lebenswerte Städte – auch in 100 Jahren. Prof. Christa Reicher resümierte: „Das Ruhrgebiet hat schon einige regionale Formate erfolgreich umgesetzt. Die Biennale der urbanen Landschaft ist das richtige Format, um wichtige neue Perspektiven zu entwickeln.”
Ausblick auf nächste Biennalen
Am Ende von zwei intensiven und spannenden Wochen zeigte sich Sebastian Schlecht als Initiator von lala.ruhr sehr zufrieden. „Es ist uns gelungen, sehr ernsthafte Themen mit Spaß und vielen engagierten Menschen zu erörtern. Das ist uns ein wichtiges Anliegen. Dabei war diese erste Biennale der urbanen Landschaft der Auftakt”, fügt Sebastian Schlecht hinzu. Die Biennale ist als Prozess konzipiert und es sei ein erster und erfolgreicher Startschuss gelungen. Mit großer Freude blicke er auf 2024 und lädt alle ein, die nächste Biennale und vor allem die Zukunft dieser Region mitzugestalten.
Urbane Landschaft als Gemeinschaftsaufgabe
Eine Region als resiliente und lebenswerte urbane Landschaft zu gestalten, ist nicht einfach. Das hat die 1. Biennale deutlich gemacht. Sie hat aber vor allem auch gezeigt, dass das nicht im Alleingang gelingen kann. Die Biennale plädierte nicht nur für Kooperation, sondern sie hat sie gelebt. Denn die Veranstaltung war nur möglich durch die Unterstützung von Baukultur NRW, vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW, vom Regionalverband Ruhr sowie der E.ON Stiftung. Sie alle ermöglichten mit ihrer Förderung dieses großartige und innovative Festival. Der Wissenschaftspark Gelsenkirchen war gleichzeitig Partner und Veranstaltungszentrum.
Viele weitere Menschen, Unternehmen und Institutionen trugen zur Biennale bei. Dazu gehören u.a. die Architektenkammer NRW, die Bundesstiftung Baukultur, die IGA Metropole Ruhr 2027, der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten, City Decks, die Urbanisten, Architects for Future, ICLEI Europa, Impact Factory, Jugend Architektur-Stadt, kultur.west, die Kunstakademie Düsseldorf, die Königlich Dänische Botschaft Berlin, Places _ VR Festival, die Ruhr Konferenz, die RWTH Aachen University, Salon5, die Stiftung Mercator, die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe und die TU Dortmund, die Urbane Liga.
Pressematerial mit Videos, Fotos, Logos und Grafiken
Fotos: lala.ruhr/Ole-Kristian Heyer bzw. lala.ruhr/Ravi Sejk Videos: Jerome Chauvistré
Biennale kann auch Convention
Biennale
kann auch
Convention
Am letzten Wochenende der 1. Biennale der urbanen Landschaft brachten zahlreiche Expert:innen wichtige Impulse in die Diskussion um die Zukunft der Metropole Ruhr. Die Biennale hatte zum Abschluss zu einer Convention eingeladen. So konventionell das Format klingt, so aufrüttelnd waren die Inhalte.
Zum Auftakt der Convention kündigte Sebastian Schlecht an, dass auf der Biennale ernsthafte Themen mit Spass diskutiert würden. Das gelang sogar auf der Convention am Ende der zweiwöchigen Veranstaltung. In vielen verschiedenen Runden kamen zahlreiche Themen auf den Tisch: vom Klimawandel und dessen Bedrohung für die urbane Landschaft, von der Vielfalt an existierenden Ideen für die Metropole Ruhr und den Hindernissen bei der Umsetzung, von Engagierten in der Stadt, die mit „das geht nicht“ abgeschmettert werden bis zum Ruf nach einer Werkstatt, die offen ist für Experimente und Fehler erlaubt.
Studentische Visionen
Den Auftakt der Convention machte die Präsentation studentischer Arbeiten. In insgesamt acht Gruppen hatten Studierende der RWTH Aachen, der TU Dortmund und der TH Ost-Westfalen-Lippe auf der Biennale eine Woche zusammen gearbeitet. In disziplinär gemischten Teams suchten angehende Raumplaner:innen, Stadtplaner:innen und Landschaftsarchitekt:innen Lösungen für „Urban Uncertainties“.
Mit dieser offenen Aufgabenstellung machten sie sich auf die Suche nach Ansätzen für den Erhalt der Lebensqualität der Metropole Ruhr. Während einige Gruppen auf einen konzeptionellen Maßstab abhoben und die Besonderheiten der polyzentrischen Region in eine neue Zukunft führten, blieben andere konkreter. Sie machten Vorschläge für das direkte Umfeld des Biennale-Veranstaltungsortes. Sie entwarfen Pocket-Parks für Gelsenkirchen-Ückendorf oder werteten den öffentlichen Raum so auf, dass er zu einem gesunden und lehrreichen Lebensumfeld für Kinder wird. Denn schließlich sind „Children of today […] adults of tomorrow“. Eine andere Gruppe suchte den Weg ins Digitale und entwarf eine App, die die Kommunikation zwischen Bürger:innen und Stadtverwaltungen verbessert. Ein weiteres Team zeichnete neben einem Idealbild von Stadt auch ein düsteres Szenario; eine Ermahnung an alle, die aktuellen Herausforderungen wirklich ernst zu nehmen.
Die Zukunft braucht gemeinsames Wirken
Auf die Ernsthaftigkeit der anstehenden Krisen und den aktuellen Handlungsdruck verwiesen auch Expert:innen einer Diskussionsrunde. In dieser rüttelte Markus Lehrmann als Geschäftsführer der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen auf: „Der Klimawandel ist nichts Neues, das ist die schlimmste Erkenntnis. Wir wissen seit 40 bis 50 Jahren davon und ändern nichts.“
Und welche wichtige Rolle die Landschaftsarchitektur im Umgang mit den aktuellen Herausforderungen spielt, machte Thomas Dietrich als Vorsitzender des BDLA NRW deutlich und lobte die Biennale. Sie richte den Blick auf das Grün, „das in allen Bereichen relevant ist. Es kommt in allen Handlungsfeldern vor: in der Klimaanpassung, in der Schaffung sozialer Gerechtigkeit, im Umgang mit Demografie.“ Im Workshop Pflegefall Grün stellte er aber auch klar, dass Grün nur Lösung von Problemen im urbanen Raum sein kann, wenn es auch gepflegt wird. Und das ist ein Problem, wie Melanie Ihlenfeld von Grün und Gruga Essen beschrieb: „Wir kommen nur der Verkehrssicherungspflicht nach; mehr nicht. So sehen die Grünflächen auch aus. Grün ist zur Pflichtaufgabe verkommen“. Die Mitdiskutanten waren sich einig, dass die Finanzierung von Pflege neu konzipiert werden muss, was einer verfassungsrechtlichen Neukonzeption bedarf. Den Blick in die Politik richtete auch Markus Lehrmann. Nach seiner Meinung ist „niemand […] ideenlos und programmatische Ansätze sind da, aber sie müssen in der Politik und beim Gesetzgeber ankommen“. Schließlich appellierte Susanne Priebs von der TU Dortmund nochmal: „Wir brauchen neue Diskurse über Stadt, wie Architects for Future und lala.ruhr sie anstoßen“ – also ein Lob für die erste Biennale der urbanen Landschaft.
Wir müssen mehr wagen
Auch Anja Bierwirth vom Wuppertal Institut machte in ihrem Impulsvortrag deutlich, wo Handlungsbedarf ist. Ihr Blick richtete sich dabei zunächst auf den Bau- und Gebäudesektor. Überall konnten Einsparungen erzielt werden, nur in diesem Bereich nicht. Noch immer beanspruchen die Menschen viele Quadratmeter pro Kopf zum Wohnen. Nicht immer sei das Einfamilienhaus aber ein Traum, in manchen Fällen würde es zur Last. Auch Nicht-Wohngebäude bürgen ein Potenzial, erläutert Bierwirth. Wir müssen klären, wie viele wir davon wirklich nutzen und deren Umnutzung vereinfachen. Anja Bierwirth ließ auch nicht aus, auf den öffentlichen Straßenraum und dessen Prägung durch Verkehr zu blicken. Sie nahm Subventionen kritisch in den Blick und appellierte solche abzuschaffen, die einer nachhaltigen urbanen Entwicklung schaden.
Zum Schluss ihres Inputs forderte die Vertreterin des Wuppertal Instituts, dass „Arbeitsweisen und -prozesse beschleunigt werden. Es müsse alles schneller, einfacher, effizienter werden.“ In diesem Zusammenhang wagte Stephanie Haury vom BBSR sogar zu fordern: „Gebt den Kommunen Geld und löst den Wahnsinn der Förderstrukturen auf“. Vereinfachungen sind auch vonnöten, um die Beiträge von bürgerschaftlichen Initiativen Ernst zu nehmen und wertzuschätzen: „Die kommen zur Verwaltung und dann stockt es. Zwei- bis fünfjährige Prozesse sind der Tod von Initiativen“. Am Ende der Diskussion waren viele einig: Wir brauchen mehr Raum für Experimente und den Mut Fehler zu machen.
Nach vorne gucken
Den letzten Tag der Convention startete Christa Reicher von der RWTH Aachen University mit einem Blick auf die Besonderheiten der Region. Eigentlich sei sie das nachhaltigste Modell der Entwicklung, aber das Ruhrgebiet verbraucht doppelt so viel CO2 wie der Rest von NRW, erläutert sie. Auch sie sieht dringenden Handlungsbedarf und ruft auf: „Solche Formate [wie diese Biennale] müssen wir weiterführen auch bei schrumpfenden Ressourcen. Sie ist eine Bühne für Ansporn und Erfolg, um Beteiligungsprozesse mit top-down-Strategien zu verbinden“. Sie fragt aber auch: „Wie müssen wir uns vernetzen, damit ein kreatives Laboratorium entsteht“. Das wünschten sich auch andere Mitdiskutanten. So sagte Mocki Diller von der Ruhr-Konferenz: „Wir brauchen Offenheit für andere Entwicklungen […]. Wir müssen das Spontane zulassen, auch Bottom-up erlauben“. Ähnliches erachtet auch Andreas Giga, Leiter der Zukunftsinitiative Klima-Werk bei der Emschergenossenschaft für wichtig: „Wir dürfen nicht im Konjunktiv bleiben und immer sagen, ‚wir müssten und sollten‘ und gehen dann auseinander und es passiert nichts“. Von ähnlichen Frustrationen berichtete auch der Vertreter der Ruhrbanen Liga: „Es ist schwierig im Dialog mit Stadt ernst genommen zu werden. Es ist viel Aufwand Politik und Verwaltung zu vermitteln, dass wir in die aktive Stadtgestaltung mit einbezogen werden wollen.“
Auf die Frage, was man in den Koffer für die Reise in die Zukunft packen würde, sagte Peter Köddermann von Baukultur NRW, dass er ihn nicht bestücken würde, „denn wir wissen nicht, wie wir ihn öffnen sollen. Wir haben kein Analyse-, sondern ein Umsetzungsproblem. Es gibt Rahmenbedingungen, denen wir uns stellen müssen, aber unsere Strukturen passen nicht dazu“. Dem stellt Nina Frense vom Regionalverband Ruhr eine positive Aussicht entgegen. Mit der gerade verabschiedeten Charta für Grüne Infrastruktur hätte das Ruhrparlament ein Committment gegeben, „alles was auf dem Tisch liegt auch verbindlich zu machen“.
Transformation im Ruhrgebiet und andernorts
Die letzte Session der Convention startete mit Berichten von Sanda Lenzholzer von der Uni Wageningen und Carlo Becker aus Berlin. Beide blickten auf andere Regionen und deren Herangehensweisen in der urbanen Transformation. In der anschließenden Diskussion richtete auch Viktor Haase als Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr in NRW den Blick über den Tellerrand. Er verwies auf die Katastrophen an Ahr und Erft, „die müssen demütig machen“ und forderte Klimaschutz an erste Stelle zu stellen. „Die Krisen wachsen exponentiell, deshalb brauchen wir auch exponentiell wachsende Lösungen.“
Schließlich machte Daniela Rizzi mit ihrem Blick von außen deutlich, dass es nicht an Engagierten fehlt: „Wenn es Leute vor Ort gibt, die Lust haben, eine solche Veranstaltung zu machen, denen sollte die Regierung die Füße küssen.“ Darüber hinaus erinnerte die Forscherin aus Brasilien, die schon während ihres Studiums ins Ruhrgebiet kam, daran welche großartigen, innovativen Bilder die Region bereits in die Welt gesetzt hat und unterstützt alle Engagierten in der Metropole Ruhr: „Ihr habt alles in der Hand, um es in die Welt zu setzen“.
Mit diesem aufmunternden Aufruf ging die 1. Biennale der urbanen Landschaft zu Ende. Sebastian Schlecht verwies zum Abschluss darauf, dass sie als Prozess konzipiert ist. „Wir wollen die Biennale weiterentwickeln. Dies war der Startschuss, der in zwei Jahren eine Fortsetzung finden soll.“
Die Convention wurde gefördert vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen.
Hackathon: Urbane Landschaft neu denken
urbane landschaft
neu denken
Seit Anfang dieser Woche sind in rasanter Geschwindigkeit die vier angetretenen Teams für den „hackathon in residence“ zusammengewachsen. Das Portfolio der 20 Teilnehmenden reicht von 3D-Animation, Game-Design, Fotografie, VR-Programmierung über Städteplanung, (Landschafts-)architektur hin zu Datenanalyse, Konzeption und Projektmanagement. Schlaue und kreative Lösungen für nachhaltige Entwicklung im urbanen Lebensraum ist das umschließende Thema. Der Fokus liegt auf zukunftsfähiger Umgestaltung von insbesondere problembehafteten Flächen im Zusammenhang mit dem Klimawandel.
Vier interdisziplinäre Teams, vier verschiedene Orte, sieben Tage und wahrscheinlich auch sieben Nächte: Der enge Zeitplan für die Umsetzung stellt eine der größten Herausforderungen für die Kreativen dar. Unmittelbar nach dem Teambuilding ging es in die Diskussion zur Ideenfindung. In den bereitgestellten Projekträumen zieren bunte Post-Its und Flip-Charts mit Struktogrammen und Mind Maps die Planwände. Brachflächen, Hitzeinsel und Straßenschlucht stehen bereit für ihre digitale Transformation. Was bereits nach zwei Tagen konzeptionell sichtbar war, spiegelt die facettenreichen Fähigkeiten und die gebündelte Schlagkraft der Young Professionals und Studierenden wider.
Ückendorf als Projektstandort wird von den Mitwirkenden einhellig als inspirierend und spannend empfunden. Vertreter:innen aus der Schweiz, Österreich, den Niederlanden oder Großbritannien sowie Berlin, Köln, aber auch aus Wanne-Eickel und Gelsenkirchen selbst schätzen das Potenzial, das ihnen dieser Stadtteil für kreatives Freidenken offenbart. Die Biennale der urbanen Landschaft kann mit den Ergebnissen aus diesem Hackathon und den daraus entwickelten Prototypen und Ideen Multiplikator für andere Städte in der Metropole Ruhr sein, um die Aufgaben, der sich jede umliegende Stadt stellen muss, zukunftsfähig und intelligent geplant, anzugehen.
Hackathon-Ergebnisse am Freitag und Samstag in Ückendorf zu besichtigen
Bereits Freitag werden die finalen Ergebnisse einer vierköpfigen Fach-Jury präsentiert. Dem Gewinnerteam winkt ein Preisgeld von 2.500 Euro. Die Siegerehrung findet um 20 Uhr statt. Freitag ab 15 Uhr sowie Samstag ab 13 Uhr sind auch für die breite Öffentlichkeit diese Projekt-Spots mit den entwickelten Prototypen zu erleben – selbstständig oder in geführten Touren. Startpunkt ist der ausgewiesene Info-Point im hinteren Teil des Wissenschaftsparks.
An den vier Stationen entlang der Bochumer Straße können Besucherinnen und Besucher mithilfe von VR-Brillen und Klangbegleitung in die Ideenwelt der Kreativen eintauchen. Parallel kann die digitale Erlebnisreise auch von Außenstehenden auf Monitoren mitverfolgt werden. Die Projektteilnehmenden stehen für einen weiteren Austausch vor Ort bereit. Und auch das Rahmenprogramm im und um den Wissenschaftspark lässt sich sehen. Die vielen Vorträge, Infostände und Workshops gibt es in der Übersicht im Biennale-Programm unter:
Fotos: Ravi Sejk / Medienmalocher
Der Hackathon in Residence wird im Rahmen der biennale der urbanen landschaft unterstützt von der E.ON Stiftung
In Kooperation mit: